Briefwechsel der Brüder Grimm

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Editionsfragen

In Heft 7 der TextKritischen Beiträge, Frankfurt / M. 2002, stellt Roland Reuß unter dem Schwerpunkttitel „Wie zu edieren sei“ das Muster einer Editionspraxis vor, die „in einer bestimmten Situation der Editionsphilologie … Partei für die Positionen des jungen Jacob Grimm“ (S. 1) ergreifen will. Reuß nennt seinen umfangreichen Beitrag, S. 1—227 des Bandes: „‘Lieder […], die nicht seyn sind’. Der Briefwechsel zwischen Jacob Grimm, Wilhelm Grimm, Achim v. Arnim und Friedrich Carl v. Savigny aus dem Jahre 1811 und das Problem der Edition. Einführung und Faksimile-Edition mit diplomatischer Umschrift“.

Bei seiner diplomatischen Wiedergabe der Originalhandschriften wendet Reuß editorische Verfahrensweisen an, die seit den 60er Jahren an Ausgaben unter anderem Hölderlins und Kleists im Frankfurter Stroemfeld-Verlag entwickelt wurden — mit dem „Ziel, die überlieferten Materialien unter Wahrung möglichst vieler Eigenheiten zu präsentieren“ (S. 21). Zu diesen Eigenheiten des abgeschickten, also „
vollständig autorisiert(en) Briefes gehören: „Zeilenfall, Durchstreichungen, Leserlichkeit, Enge oder Großzügigkeit der Schrift, Papierqualität, Strichstärke, auch Tinten-, Rotwein- oder sonstige Flecken u. s. w. Das alles werde vom Leser „als Moment der brieflichen Kommunikation wahrgenommen und sollte „so gut wie möglich von einer Edition weitervermittelt werden (S. 22). Tatsächlich stellt Reuß seine Transkriptionen den fotokopierten Originalbriefen zeilen- und seitengetreu gegenüber, vermerkt Unterstreichungen und Streichungen von Wörtern und Wortteilen, läßt Abkürzungen unaufgelöst, übernimmt die historische Orthographie und Interpunktion und versucht, der wechselnden S-Schreibung, der Groß- und Kleinschreibung sowie der Zusammen- und Getrenntschreibung gerecht zu werden. Textverluste durch Abrisse und Löcher im Manuskript werden durch größere oder kleinere Kreise markiert, dazwischen geschriebene Zeilen durch Engsatz gekennzeichnet und Zusätze von anderer Hand halbfett gesetzt. In dem Bemühen, „dem bewußt-unbewußten Produkt des ersten Schreibakts“ (S. 22) ebenso Rechnung zu tragen wie den Korrekturen, die der Verfasser an seinem Brief noch vornimmt, werden sofortige und spätere Änderungen unterschieden und deutlich gemacht.

bsp1a-1

(...)

bsp1a-2
bsp1b-1

(...)

bsp1b-2

(Transkription S. 154, Faksimile S. 155)

Im einzelnen verfährt Reuß wie folgt:

Jacob Grimm schreibt das große D meist als D mit einer Schlinge am linken unteren Ende des senkrechten Strichs, aber auch in der Form des D / d der alten deutschen Schreibschrift (so oft am Satzanfang), das kleine d ebenfalls in der Form des deutschen d / D bzw. in einer dem griechischen Delta ähnlichen Form (meist am Wortende):

bsp2a
d4
d3
d1
d2

(Beispiele im Faksimile S. 65)

Transkribiert wird das deutsche d / D jedoch am Satzanfang unterschiedlich: S. 82, Z. 3 Die Anwendung …; 81, 16 Die Assonanz …; 81, 29 die Bibel …; 86, 11 daß ich es …

Das (flüchtige) Umlautzeichen steht beim Diphthong aü oft über dem zweiten Bestandteil, gelegentlich auch über dem nächsten Konsonanten (wie 33, 22 Händen, in der Handschrift über dem n). Diese Eigenheit des Schreibers wird bei der Transkription unterschiedlich gehandhabt: Einmal folgt man der Handschrift, 33, 17 daüchen. Zum anderen wird das Umlautzeichen, gegen die Handschrift, vorgezogen: 26, 19 gesäumt; 82, 17 äuserlichen; 213, 12 sträuben. Drittens wird es — auch gegen die Handschrift — ganz weggelassen: 26, 20 ausere; 50, 17 Außerungen.

Bei den Streichungen wird vereinzelt das Gestrichene nicht richtig gelesen. So findet sich 94, 2: Man Man für Mann Man (was erst die Streichung als notwendig erklärt).

Schwierig ist die Entscheidung bei Getrennt- oder Zusammenschreibung. Das relativ sehr eng geschriebene des metrisch denkenden Publicums erscheint im Druck getrennt, das etwas weiter geschriebene Farben lehre (86, 14) wird im Druck als “Farbenlehre” wiedergegeben.

Bei der Transkription der Briefe sind einige Fehler und Versehen unterlaufen. Davon betroffen sind u. a. folgende Stellen:

Druck:

Faksimile:

29, 12    fält es mir schwer

hält es mir schwer

30, 6     äußerst

aüserst

34, 11    5.

S.

40, 4     von neuen

von neuem

43, 19    nachweißen

nachweisen

63, 7     die der Natur

die die Natur

     15   des einfältigen Pfarrerkinds

... Pfarrkinds

64, 25    neue Ausscheidung

eine Ausscheidung

68, 10    Ich habe dich sonst lieb

Ich habe dich recht lieb

71, 1     haben eine Kanarienhecke

haben ietzt eine Kanarienhecke

74, 16   die Gedanken

den Gedanken

81, 4     in mehrere Mundarten

in mehrern Mundarten

82, 9    Sprachverwandtschaft

Sprachverwandschaft

85, 10   allerlei Krautern

allerlei Kraütern

90, 38   meinetwegen

meintwegen

93, 19   Gleichnisse

Gleichniße

107, 40 Hathubrant

Hathubrat

136, 20 Mannigfaltigkeit

Mannichfaltigkeit

        24 dem unsrigen

den unsrigen

139, 6   ausgehendens Lebens

ausgehendes Lebens

        13  ihre eigenen Dichter

ihre eigene Dichter

150, 1   daß es mir meinen Tadel
             nachsehen muß

daß er mir meinen Tadel
nachsehen muß

       9   die Worte in deutsch
            umgeschrieben

die Worte in deutsch
umzuschreiben

154, 1  aus unbewußten Instinct

aus unbewußtem Instinct

164, 6  in eine Untersuchung

in einer Untersuchung

167, 19 Märchen

Mährchen

175, 11 in unseeligem Zarthuen

in unseeligem Irrthume

        17 wünschte

möchte

        21 Gicht, wenn er vor Jahren in
             Heidelberg litt

Gicht, woran er vor Jahren
in Heidelberg litt

        23 wie ganz erdrückend diese
             Hurengeschichte sey

wie ganz ordinär diese
Hurengeschichte sey

220, 25 nur lieb und werth wäre

uns lieb und werth wäre

223, 12 nächste Messe wird Niebuhrs
            Geschichte ausgegeben

nächste Woche wird Niebuhrs
Geschichte ausgegeben

W. Br.

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